Offener Brief

an die Fraktionen der CDU und SPD der Feldberger Seenlandschaft

Offener Brief
an die Fraktionen der CDU und SPD der Feldberger Seenlandschaft

Sehr geehrte Vertreter der Fraktionen SPD und CDU der Gemeindevertretung Feldberger Seenlandschaft,

mit Befremden haben wir Ihren Antrag vom 05.02.2023 zur Änderung der „Allgemeinverfügung für das Befahren der Feldberger Seen mit motorgetriebenen Wasserfahrzeugen“ gelesen.

Mit diesem Antrag soll die Bürgermeisterin beauftragt werden mit dem Landrat des Kreises Mecklenburgische Seenplatte in Verbindung zu treten, um eine Verlängerung einer 10jährigen Ausnahmeregelung, die dieses Jahr abläuft, um weitere 7 Jahre zu erwirken. 
Als Begründung wird angegeben:
Die beiden Antragsteller [Anm: SPD u. CDU-Fraktionen Feldberger Seenlandschaft] sind über­einstimmend der Ansicht, dass diese beabsichtigte Vorgehensweise eine von Vernunft geleitete Übergangslösung bis zum endgültigen Auslaufen dieser Benutzungsordnung darstellt.

Kurze Zusammenfassung:

Zum 01.04.2014 wurde in der „Allgemeinverfügung für das Befahren der Feldberger Seen mit motorgetriebenen Wasserfahrzeugen“ eine Ausnahmeregelung zum Befahren der Feldberger Seen „Haussee“ und „Breiter Luzin“ mit verbrennungsmotorbetriebenen Viertaktmotoren festgelegt:  mit einer 10jährigen Übergangsfrist, welche am 31.12.2023 ausläuft, ist man den Besitzern entsprechender Motorboote entgegengekommen. Auf allen anderen in der Allgemeinverfügung genannten Seen ist das Befahren ohne Übergangsfrist für fossil betriebene Motorboote verboten.

In der Begründung der Allgemeinverfügung ist zu finden:

Die von der Allgemeinverfügung betroffenen Feldberger Seen haben eine herausragende Bedeutung für den Wasserhaushalt, den Naturschutz und den Tourismus der Region. In einem mehrjährigen Diskussionsprozess ist es gelungen, die teilweise unterschiedlichen Anforderungen dieser Bereiche soweit zu koordinieren, dass in Abwägung der Interessenlagen die vorliegende Regelung erlassen werden konnte […] Nach Abwägung der aufgeführten Schutzerfordernisse mit den konkreten Einwirkungsmechanismen wird keine weitere Möglichkeit der Erteilung von Ausnahme­genehmigungen […] für den Betrieb von Verbrennungsmotoren gesehen. Unter Berücksichtigung der Zahl der bisher zugelassenen Boote mit Verbrennungsmotoren können aus Gründen einer für die Bootsbesitzer zumutbaren Neuregelung Übergangszeiträume von 2 Jahren (Zweitaktmotoren) bzw. 10 Jahren (Viertaktmotoren) als akzeptabel angesehen werden, ohne die Schutzgüter erheblich zu gefährden. […] Mit diesen Übergangszeiten werden die Obergrenzen des Vertretbaren ausgereizt, so dass eine weitere Verlängerung über das in der Allgemeinverfügung festgelegte Datum nicht mehr in Betracht kommen kann. […] Im Jahr 2013 existierten für die im Geltungsbereich der Allgemeinverfügung befindlichen Gewässer insgesamt 170 Motorbootgenehmigungen. Die Behörde geht davon aus, dass es nicht zu einer wesentlichen Erhöhung der Zahl motorgetriebener Boote kommen wird. Sollte wider Erwarten eine andere Entwicklung eintreten, müssten […] nachträglich zahlenmäßige Begrenzungen der Motorboote erfolgen bzw. im Einzelfall FFH-Verträglichkeits­prüfungen durchgeführt werden.

Laut Antrag der Fraktionen gibt es aktuell ca. 450 Registrierungen für E-Motoren und ca. 100 Registrierungen für Wasserfahrzeuge mit Verbrennungsmotoren.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Fraktionen ohne nachvollziehbare Begründung eine Verlängerung der Ausnahmeregelung wünschen, obwohl in der Allgemeinverfügung explizit betont wird, dass keine Verlängerung mehr in Betracht kommen kann.
Ebenso wird im Antrag nicht berücksichtigt, dass sich seit 2013 die Anzahl der motorgetriebenen Boote verdreifacht hat und im Falle einer solch wesentlichen Erhöhung die zahlenmäßige Begrenzung der Motorboote oder eine Verträglichkeitsprüfung durchgeführt werden muss.

Deshalb bitten wir die Fraktionen den Antrag zurückzuziehen!

Begründung:

Es gehört unzweifelhaft zu den demokratischen Vorzügen unserer Gesellschaft, dass Anträge gestellt und gehört werden können. Doch sind uns beim vorliegenden Antrag neben den nicht berücksichtigten Umweltbelangen Problematiken beim Umgang mit gefällten politischen Entscheidungen aufgefallen.

Die Allgemeinverfügung beruht auf einem Kompromiss, der 2014 mühsam geschlossen wurde.
Hierzu möchten wir allgemein den Prozess einer Kompromissfindung kurz zusammenfassen:

Basis eines Kompromisses ist es, dass bei Meinungsverschiedenheiten beiden gegenüberstehenden Parteien Genüge getan wird. Hierfür ist es unabdingbar, dass auch beide Seiten Abstriche hinnehmen müssen. Der Kompromiss wird fixiert und ihm wird von beiden Seiten zugestimmt. Im konkreten Fall wurde eine großzügige Übergangsfrist von 10 Jahren gewährt und bekräftigt, dass diese Übergangsfrist ausgereizt und nicht verlängerbar ist.

Sofern sich nichts an den äußeren Voraussetzungen der Kompromisslösung geändert hat, sollten nach Ablauf einer Einspruchsfrist nur noch Änderungen beantragt werden, wenn diese wohlüberlegt und faktisch begründet werden können. Nur so ist – wie bei anderen politischen Prozessen auch – eine Nachvollziehbarkeit und unabhängige Meinungsbildung für Betroffene, Entscheidungs­träger:innen und Bürger:innen gegeben.

Beim aktuell vorliegenden Änderungsantrag fehlt jedoch eine solche faktische und wohlüberlegte Begründung: zwar wurde am Ende des Antrags eine „Begründung“ per Überschrift angekündigt, doch folgt stattdessen eine Meinungskundgebung, wie der Teilsatz „[…] sind übereinstimmend der Ansicht […]“ deutlich zum Ausdruck bringt.

Was bedeutet der vorliegende Antrag für die einzelnen Beteiligten im langen Prozess der Lösungsfindung:

  • Kompromisspartner
    Der Antrag bedeutet eine Übervorteilung der anderen Kompromisspartei, die ebenfalls zugestimmt hat: sie hat keine gleichwertige Möglichkeit mehr, den Kompromiss in die andere Richtung, also eine Verkürzung der Übergangsfrist, zu ändern.
  • Kompromissfinder
    Die diffizile Arbeit und Lösung der Kompromissfindung wird nicht geachtet, da dem Ergebnis zwar zugestimmt wurde, aber trotzdem - 9 Jahre nach Ablauf der Einspruchsfrist – ohne nachvollziehbare Begründung eine Änderung des Kompromisses gefordert wird.
  • Öffentlichkeit / Bürger:innen
    Der Frieden, der durch den Kompromiss zwischen den Konfliktparteien geschaffen wurde, wird durch politische Vertreter:innen der Gemeinde bewusst gefährdet. Ziel von politischen Vertreter:innen sollte nicht das (erneute) Anfachen von Konflikten sein, sondern stattdessen die Stabilität von politischen Prozessen aufzeigen, indem man zu Entscheidungen steht.
  • Bootsbesitzer:innen
    Der Antrag schafft ein falsches Signal für all jene Bootsbesitzer:innen, die verantwortungs­bewusst die 10jährige Übergangsfrist genutzt und Geld investiert haben, um die Umstellung auf Elektromotoren durchzuführen.
  • Umwelt
    Verlierer bei diesem Antrag ist ohne Umschweife die Natur: ihre Belange werden in dem Antrag nicht berücksichtigt oder abgewägt, obwohl sie ein wesentlicher Bestandteil in der Ursache und Begründung der Allgemeinverfügung ist.

Abschließend möchten wir noch unserem Unverständnis Ausdruck geben, dass in den heutigen Zeiten, in denen die Abkehr von fossilen Rohstoffen in aller Munde ist, eine Forderung in den Raum gestellt wird, eine zu einem Fixdatum beschlossene Abkehr von fossilen Brennstoffen nicht durchzuführen.

Statt weiterhin das Befahren der Seen mit Motorbooten zu ermöglichen und zu fördern, sollten die Fraktionen die Chance nutzen und in dem touristisch geprägten Feldberg mit „Elektro statt Fossil“ oder noch besser „Muskel statt Motor“ zu werben.

 

mit freundlichen Grüßen

Klima und Kultur e.V.

BUND Ortsverband Feldberger Seenlandschaft

Bündnis 90/ Die Grünen, Ortsverband Mecklenburgische Seenplatte Ost

 

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